Bericht zum vierwöchigen Praktikum in der RISM-Zentralredaktion im Oktober 2020

Daniel Kneer

Thursday, August 12, 2021

Der folgende Bericht stammt von unserem ehemaligen Praktikanten Daniel Kneer:

Für das Praxisorientierungsmodul meines B.A.-Studiums der Musikwissenschaft absolvierte ich im Oktober 2020 ein vierwöchiges Praktikum in der RISM-Zentralredaktion in Frankfurt am Main. Aufgrund meines Hintergrundes in Informatik und meines musikwissenschaftlichen Interesses an Archivierung und Digitalisierung entschied ich mich für eine Stellensuche im Bereich digitaler Musikarchive.

Aufgrund der Pandemiesituation verlief das Praktikum auch für die Mitarbeiter der RISM-Zentralredaktion auf neuen Wegen. Einerseits absolvierten mehrere Personen gleichzeitig das Praktikum. Andererseits fand es als Hybrid-Praktikum mit Anwesenheits- und Heimarbeitstagen im Wechsel statt. An den Präsenztagen in der Zentralredaktion stellten sich die Mitarbeiter vor und erklärten anhand von Präsentationen und praktischen Beispielen kurzweilig ihre jeweiligen Arbeitsgebiete.

Zu Beginn des Praktikums erhielten wir eine Einführung in das Katalogisierungsprogramm Muscat, nahmen an einer Redaktionssitzung teil und bekamen unsere beiden längerfristigen Aufgaben vorgestellt: Wir erhielten je einen Bibliothekskatalog, aus welchem wir Exemplareinträge zu Musikdrucken anhängten, sowie ein Werkverzeichnisses anhand dessen wir Werknummern in Muscat nachzutragen hatten.

Ich beschäftigte mich mit dem 1985 von Giorgio Chatrian zusammengestellten Katalog der Biblioteca capitolare del Duomo in Aosta (I-AOc) und hängte die darin aufgelisteten Exemplareinträge an Musikdrucke von Komponisten des 16. und 17. Jahrhunderts an. Anhand des Werkverzechniskataloges von Stefan Gasch und Sonja Tröster trug ich Werknummern bei etwa 1.000 Quellen nach, die dem Komponisten Ludwig Senfl zugeschrieben sind. Spannend wurde es insbesondere bei Werken, für die in der Datenbank keine Incipits hinterlegt sind, die sich aber textlich nicht unterscheiden ließen, wie etwa Senfls Gloria-Kompositionen. In diesem Fall wurde ich vom Datenerfasser zum aktiven Datenbanknutzer und musste „Detektivarbeit“ betreiben, indem ich hinterlegte Digitalisate durchsuchte.

Stephan Hirsch gab einen Überblick über die „digitale“ Geschichte von RISM, über das computergestützte RISM-Erfassungssystem in den 1990ern und das im lokalen Netzwerk betriebene PIKaDo-System mit spaltenorientierter indizierter Datenbank bis zum modernen Muscat-System, das auf einer relationalen Datenbank aufbaut und internetbasierte Datenerfassung unterstützt. Um uns eine praktische Aufgabe „live“ vorzuführen, programmierte er in Ruby eine Methode zum Extrahieren der Länderbezeichnungen aller von Muscat unterstützten Systemsprachen. Unsere Aufgabe war es dann, die entstandene Liste zu komplettieren, also sicherzustellen, dass einem Muscat-Nutzer bei seiner Arbeit die Ländernamen, die etwa bei der Herkunft eines Komponisten eingetragen werden, in der jeweiligen Sprache, in der Muscat bedient, korrekt angezeigt werden. Ich war hier für die spanischsprachigen Bezeichnungen der Länder und Regionen zuständig.

Außerdem bekamen wir einen Eindruck in die Öffentlichkeitsarbeit von RISM, die neben der Unterhaltung einer sehr aktiven Community auf Facebook und Twitter vor allem aus Newsbeiträgen auf der Webseite besteht. Hierzu konnte ich zum 253. Geburtstag des Komponisten Bernhard Romberg einen Beitrag beisteuern.

Ich hatte während des gesamten Praktikums den Eindruck, etwas zu RISM beizutragen, statt nur einem Ablaufprotokoll zu folgen. Die Tatsache, dass wir von Anfang an nicht an Testdaten arbeiteten, sondern ein Teil des weltweiten Datenerfassungsteams wurden, war eine dauerhafte Erinnerung daran, Sorgfalt bei der eigenen Arbeit walten zu lassen. Meine Erwartungen, etwas über die praktische Verknüpfung von digitaler Datenverarbeitung und Musikwissenschaft lernen zu können, wurden voll und ganz erfüllt.

Abbildung: Ludwig Senfl, Toni psalmorum, aus dem Chorbuch D-Mbs Mus.ms. 52, f. 2r (RISM ID no. 456051712).

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